Wäre Johannes Gutenberg, der Erfindung der Buchdruckerkunst, in seiner Zeit als Schwarzkünstler bezeichnet worden, so hätte er das Inquisitionsgericht fürchten müssen, denn ein Schwarzkünstler ist im späten Mittelalter ein Magier, der mit dem Teufel im Bunde steht. Der Buchdrucker der ersten gedruckten Bibel mit dem Teufel im Bund? Um 1440 für die Kirche undenkbar. Heute ist dagegen die Metapher Jünger der Schwarzen Kunst ein Synonym für den Buchdruck geworden. Wie erklärt sich dieser Wandel? Was hat Gutenbergs Erfindung mit Zauberei zu tun? Ein Blick in den aktuellen Brockhaus vermerkt unter dem Stichwort ‘Schwarze Kunst’:
„Bezeichnung für 1) die schwarze Magie; 2) die Buchdruckerkunst.“ [1]
Diese sehr schmallippigen Auskunft des Brockhaus gibt keine Auskunft über einen möglichen Sinnzusammenhang. Beim Blick in die Wikipedia zu diesem Stichwort zeigt sich, dass der Eintrag zwar wortreicher ist, aber inhaltsgleich. Hier macht jedoch ein zusätzlich enthaltener Hinweis neugierig und zugleich stutzig.
„Im künstlerischen Bereich umfasst der Begriff (Schwarze Kunst) die Bereiche der Druckgrafik wie Kupferstich, Radierung und Lithografie sowie die Typografie und Buchkunst.“ [2]
Neugierig macht dieser Hinweis, weil hier zwar ein Bezug zur Druckgrafik hergestellt, aber nicht erläutert wird. Stutzig macht dieser Hinweis, weil die Lithografie ebenfalls zur Schwarzen Kunst gehören soll. Das erscheint befremdlich, denn der großartige Erfolg der Lithografie zum Ende des 19. Jahrhunderts lag vor allem in ihrer Farbigkeit begründet.
Auf der Suche nach der Herkunft der Metapher hilft ein Blick in die ersten Enzyklopädien des 19. Jahrhunderts wie dem Brockhaus aus dem Jahre 1808. Hier findet sich unter dem Stichwort Schwarze Kunst ein Verweis zur Kupferstechkunst. Unter diesem Stichwort wird dem Leser sehr dezidiert erläutert, was in der Wikipedia nur angedeutet wurde. Die Schwarze Kunst gehört demzufolge zu einer von fünf Manieren der Kupferstechkunst; ganz ohne die eher bunte Lithografie. Es heißt weiter
„Die schwarze Kunst, oder die Schabemanier, von den Engländern, wiewohl nicht ganz richtig, auch Mezzotinto genannt; eine Manier, deren Erfindung ungefähr in das Jahr 1643 fällt, und dem berühmten Pfälzischen Prinzen Ruppert, der in England lebte, zugeschrieben wird, die aber erst in unsern Tagen in England ihre wahre Vollkommenheit erlangt hat, und daher auch die Englische Manier genannt zu werden pflegt. Die schwarze Kunst ist von der Manier mit dem Grabstichel und der Radirnadel gänzlich verschieden. Die Kupferplatte wird bei der schwarzen Kunst so bearbeitet, daß sie ganz rauch und krause wird, so daß sie abgedruckt einen durchaus schwarzen Abdruck geben würde. Auf diesen Grund wird nun die Zeichnung gemacht, und derselbe nach Verhältniß des Lichts, das man über sein Blatt verbreiten will, nach und nach hinweggeschabt (…) und das dominirende Schwarz (daher der Name »schwarze Kunst«) dieser Manier macht sie für alles, was für auffallenden Effect des Lichts gearbeitet ist, sehr brauchbar.“ [3]
Zumindest zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Schwarze Kunst keine Metapher für die Buchdruckerkunst, sondern bezeichnet als dritte Bedeutung eine besondere Art einer Kupferstechkunst, die im Brockhaus von 2022 überhaupt keine Erwähnung mehr findet.
Rund 100 Jahre vor diesem Brockhaus-Eintrag von 1808 gibt Mayers Großes Konversationslexikon von 1909, das sich an eine breitere Leserschaft als der Brockhaus wendet, mehr Aufschluss zur Genealogie der Metapher. Hier beginnt der Eintrag zur Schwarzen Kunst mit einer Erläuterung, wie es zu dieser Bezeichnung für sie schwarze Magie und der Hexerei gekommen ist. Daran anschließend wird im Lexikoneintrag eine interessante Vermutung geäußert.
„In der deutschen Volksliteratur dürfte die Verwechselung des im Volksbuch lebenden Taschenspielers Faust mit dem Buchdrucker Faust (Fust) viel zur Popularität des Ausdrucks Schwarzkünstler beigetragen haben (zuerst gebraucht 1535 in der Zimmerschen Chronik), und hier verrät sich zugleich eine genetische Beziehung der Bezeichnungen: schwarze Kunst und Schwarzkunst (s. Kupferstecherkunst).“ [4]
Wie konnte es zu einer Verwechslung zwischen der Legende des Doktor Faust und dem im 15. Jahrhundert historisch existenten Johannes Fust, Finanzier von Gutenbergs erster gedruckten Bibel kommen? Es war vielleicht keine Verwechslung, sondern eine Legendenbildung. Dafür spricht, dass just in dem Jahr 1808, als Goethes Faust herauskam und sich großer Beliebtheit erfreute, der Buchdrucker Georg Heinrich Mahncke ein Drama geschrieben und herausgegeben hat, das sich explizit an die Jünger der Buchdruckerkunst wendet. Der Titel: Johannes von Guttenberg und Doctor Johann Faust oder die Zeichen der Zeit, dramatisch erzählt in 5 Akten. Als 1ster Theil des Handbuchs für Anfänger der Buchdruckerkunst von Georg Heinrich Mahncke. Georg Heinrich Mahncke war Mitglied des Buchdruckerverbandes (Bild). Pater Augustin ist in Mahnckes Drama ein Franziskaner Mönch, der sich gegen Gutenbergs Erfindung wendet, weil er durch diese die Macht der Schreiber in den Klöstern in Gefahr sieht. Er nennt Gutenberg deshalb einen Schwarzkünstler, und verbündet sich mit Doktor Faust, dem es aber nur darum geht, Gutenberg Geld zu leihen, in der Hoffnung, dass dieser das Geld nicht rechtzeitig zurückzahlen kann, um dann nach Gutenbergs Ruin selbst den Ruhm seiner Erfindung zu ernten. G. H. Mahncke schreibt als Anmerkung zum Begriff Schwarzkünstler:
„Diesem Ausspruche verdankt Faust später den Namen eines Magikers und Teufelsbanners“
So wird Johann Fust zu dem vom Teufel besessenen Schwarzkünstler, der Gutenberg um den ihm zustehenden Ruhm gebracht hat.
Über die tatsächliche Verbreitung des Dramas ist nichts bekannt, daher liegt der weitere Weg, wie diese Metapher ins öffentliche Bewusstsein gelangt ist, noch weitgehend im Dunkeln. Nicht bezweifelt werden kann, dass die Metapher inzwischen fest im Bewusstsein verankert ist. Für diese Annahme spricht, dass im Jahre 1955 S.H. Steinberg ein Buch mit dem Titel “Die Schwarze Kunst” veröffentlicht, in dem es ausschließlich um den Buchdruck geht und in dem der Begriff “Schwarze Kunst” kein weiteres mal erwähnt wird. Die Legende vom Doktor Faust lebt in der Metapher für die Buchdruckerkunst weiter fort. Gott grüß‘ die Kunst.
Dieser Beitrag erschien erstmalig im JfDM Nr. 1/2022, veröffentlicht im Deutschen Drucker Nr. 4 vom 24. März 2022, S. 31
- Brockhaus, Schwarze Kunst. http://brockhaus.de/ecs/enzy/article/schwarze-kunst (aufgerufen am 2022-01-28) ↑
- https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Kunst ↑
- http://www.zeno.org/Brockhaus-1809/A/Die+Kupferstecherkunst?hl=kupferstecher+kunst ↑
- http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Schwarze+Kunst?hl=schwarze+kunst ↑