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Von Flugblättern und Tageszeitungen

Eine Virtuelle Ausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums, Leipzig
Abbildung 1: Flugblatt mit Abbildung eines Krokodils, Salvator Flaminio, Holzschnitt mit Typendruck, 1563, Frankfurt am Main. Quelle: Sammlung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek

»Zur Geschichte des Zeitungsdrucks« heißt die neue virtuelle Ausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek. Sie überträgt die Ausstellung »370 Jahre Zeitungsdruck in Leipzig« in die Online-Welt und wurde zusammen mit der Deutschen Digitalen Bibliothek realisiert.

Die Ausstellung umfasst den Zeitraum von den Vorläufern der Zeitung – den Flugblättern der frühen Neuzeit – bis zur heutigen Tagespresse im digitalen Umfeld. Sie spannt den Bogen von der ersten Tageszeitung der Welt, die 1650 von dem Leipziger Verleger Timotheus Ritzsch veröffentlicht wurde, bis hin zu den drucktechnischen Innovationen der Industrialisierung.

Frühe Flugblätter

Gutenbergs Erfindung ermöglichte massenhafte, aber vorerst noch sporadische Verkündungen in Form von Einblattdrucken. Mit dem Ausbau des Postnetzes wurde die Voraussetzung für regelmäßige Nachrichtenübermittlung geschaffen. Das tägliche Zeitungsmedium konnte mit fortschreitender Entwicklung eine wachsende Leserschaft bedienen.

Sensationsheischende Einblattdrucke waren bereits in der frühen Neuzeit beliebt, wie dieses Exemplar (Abbildung 1 oben) von 1563 zeigt. Der Schausteller Salvator Flaminio wirbt damit für seine Wanderausstellung eines präparierten Krokodils. Er führte den Bilddruckstock stets mit sich und passte den Text am jeweiligen Ort der Schaustellung an.

Erste Tageszeitungen

Die erste gedruckte Zeitung war die von Johann Carolus gegründete »Relation«, die ab September 1605 einmal wöchentlich in Straßburg im Elsass erschien.

1650 erschien die erste Tageszeitung der Welt, die Leipziger »Einkommende Zeitungen« des Druckers und Buchhändlers Timotheus Ritzsch (Abbildung 2). Die erste britische Tageszeitung, »The Daily Courant«, wurde 1702 in London produziert. Und die erste französische Tageszeitung war das 1777 gegründete »Journal de Paris«.

Abbildung 2: Einkommende Zeitungen, Leipzig, 1650, Nr.6. Quelle: Sammlung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek

Diese frühen Zeitungen hatten ein kleines Format, ihre Seitenzahl war sehr begrenzt. Auch die Auflagen waren noch gering. Sie richteten sich in erster Linie an das gebildete und begüterte Bürgertum.

Sie brachten die Nachrichten (oder »Zeitungen«, ursprünglich einfach der Begriff für beliebige Nachrichten) in der Reihenfolge, in der sie von den Korrespondenten aus den verschiedenen Teilen der Welt geliefert wurden. Inhaltsbezogene Artikel-Überschriften wurden erst viel später erfunden erfunden, als die Zeitungsredaktionen entstanden.

Drei Erfindungen und die Zensur

Das 19. Jahrhundert brachte entscheidende Innovationen, die der Zeitung den Weg zum mo- dernen Massenmedium ebneten:

  1. Die Erfindung der Schnellpresse durch Friedrich Koenig, die im Jahr 1811 patentiert wurde. Damit war die erste Druckmaschine realisiert, die im Gegensatz zur handbetriebenen Druckpresse fast alle Manipulationen des Drucks (mit Ausnahme des Einlegens der Druck- bogen) selbsttätig ausführte.
  2. Die Erfindung der Zeitungs-Rotationsdruckmaschine, mit der erstmals bis zu 12.000 Bogen pro Stunde gedruckt werden konnten. 1866 wurde die Walterpresse bei der Londoner Ti- mes eingesetzt, wie zuvor schon Koenigs Schnellpresse.
  3. Die Erfindung der Linotype-Setzmaschine. Ottmar Mergenthaler demonstrierte am 3. Juli 1886 seine Erfindung bei der New York Tribune. Deren Herausgeber Whitelaw Reid soll da- bei ausgerufen haben: »A line of types!«, womit der Name für die Maschine gefunden war.
Abbildung 3: Rotationsmaschine der Maschinenfabrik Augsburg, Druckgrafik, um 1885, Stuttgart. Quelle: Sammlung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek

Deutsche Ingenieure waren an diesen Erfindungen maßgeblich beteiligt, aber die neuen Ma- schinen wurden anfangs nur von englischen oder amerikanischen Verlagen eingesetzt.

Deutschland war noch nicht reif für die industrielle Revolution. Koenig musste später für den deutschen Markt eine Version seiner Schnellpresse ohne Dampfantrieb konstruieren, weil deutsche Verleger Dampfmaschinen misstrauten.

Nach der Niederschlagung Napoleons überzogen die berüchtigten Karlsbader Beschlüsse von 1819 Europa mit der Pressezensur, was die Entwicklung von Zeitungen nachhaltig behinderte. Die Paulskirchen-Verfassung der Revolution von 1848 trat nie in Kraft und die vorübergehend erkämpfte Pressefreiheit wurde wieder eingeschränkt. Das Sozialistengesetz von 1878 beendete erneut die erst vier Jahre zuvor gesetzlich geregelte Freiheit der Presse.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Deutschland die moderne bürgerliche Gesellschaft. Die Städte wuchsen, Fabriken entstanden und mit ihnen die proletarische Arbeiterschaft. Das Bürgertum war bemüht, durch Bildung seine gesellschaftliche Position zu festigen und forderte politische Mitsprache. All dies weckte den Informationshunger und steigerte den Bedarf nach aktuellen Nachrichten aus aller Welt.

Die Zeitungen verwandelten sich in das erste moderne Massenmedium des Industriezeitalters. Um in kurzer Zeit viel Information verarbeiten zu können, wurde das heute noch gebräuchliche große Zeitungsformat eingeführt; die Auflagen schossen in die Höhe. Für die schnelle Bereitstellung der gedruckten Inhalte sorgten Anfang des 20. Jahrhunderts Setz- und Rotationsdruckmaschinen.

Digital gesteuerter industrieller Zeitungsdruck

Mitte der 1970er Jahre endete die Ära des Bleisatzes. Nach einer kurzen Periode des proprietären Fotosatzes etablierte sich Mitte der 1980er Jahre das PC-basierte Desktop Publishing. Entscheidende Impulse hierfür kamen von der Computer-Industrie, insbesondere den innovativsten Firmen des kalifornischen Silicon Valley, wie Apple und Adobe.

Der Coldset-Offset-Zeitungsdruck löste das Hochdruckverfahren ab. Durch die damit verbundene Verbesserung der Druckqualität konnten die Zeitungen mehr Leser gewinnen, die Auflage erhöhen und den Anzeigenkunden verbesserte Reichweite und Qualität bieten.

Der elektronische Ganzseitenumbruch mit Texten, Bildern und Anzeigen konnte sich auf Basis verbindlicher Industriestandards durchsetzen. Entscheidender Faktor war die Entwicklung der Druckplatten-Direktbebilderung durch Computer-to-Plate. Bei der Drupa-Messe 2000 wurden erstmals für die Zeitungsherstellung geeignete CTP-Druckplatten gezeigt.

Seit den 1990er Jahren wird immer mehr Zeitungsdruckpapier aus Recyclingfasern hergestellt. Heute kann Zeitungspapier zu 100 Prozent aus Altpapier bestehen. Außerdem entstanden neben dem Standardzeitungspapier neue Papiersorten, um die Wünsche von Druck- und Anzeigenkunden zufriedenzustellen und auch hochwertige Produkte auf einer Coldset-Zeitungsmaschine produzieren zu können.

Abbildung 4: Zeitungstransportsystem in der Weiterverarbeitung, LVZ Druckerei. Quelle: Sammlung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek

Der früher eher handwerklich geprägte Beruf des Druckers veränderte sich mit dem Einsatz elektronisch gesteuerter Produktionssysteme. Der Drucker wurde zum Druckmanager am Leitstand der Zeitungsrotation. Das Thema bietet auch heute Gesprächsstoff: Gedruckt oder digital – Welche Zukunft hat die Tageszeitung?

Die virtuelle Ausstellung

Die reich und anschaulich bebilderte virtuelle Ausstellung kann in etwa einer Stunde bequem vom Online-Besucher durchschritten werden. Sie besteht aus 37 Bildschirmseiten, die in fünf Abschnitte gegliedert sind:

  1. Der Zeitungsdruck kommt in Bewegung
  2. Sporadisch – Wöchentlich – Täglich
  3. Der Zeitungsdruck kommt ins Rollen
  4. Politik, Zensur und andere Interessen
  5. Der Zeitungsdruck wird digital

Alle Abbildungen können vergrößert dargestellt werden. Zusatzinformationen werden auf Mausklick angezeigt und – wenn gewünscht – via Social Media geteilt.

Die Ausstellungstexte sind gut lesbar, was Inhalt, Prägnanz und Präsentation betrifft. Manche Darstellung mag dem Fachmann als etwas als gewagt erscheinen, etwa wenn es heißt: »Die von Ottmar Mergenthaler entwickelte Setzmaschine stellt besonders im Zeitungssatz das Bindeglied zwischen Handsatz und Desktop-Publishing (DTP) dar.«

In der Regel bieten die Texte aber viele wissenswerte und relevante Details:

»Bis zur Aufhebung des Anzeigenmonopols 1847 war das Drucken von Anzeigen und Inseraten ausschließlich Intelligenzblättern vorbehalten. ›Intelligenz‹ leitet sich hier vom angelsächsischen ›Intelligence‹ ab und steht für Nachricht bzw. Information. Diese Anzeigenblätter hatten in der Regel keinen redaktionellen Inhalt, sondern druckten ausschließlich amtliche Bekanntmachungen, Geschäftsinserate und private Anzeigen und blieben damit meist von der Zensur verschont.«

Insgesamt eine interessante und anschauliche virtuelle Ausstellung, die nicht nur der Druckhistoriker besuchen sollte, sondern all jene, die schon immer einmal wissen wollten, wie unsere Zeitungen wurden, was sie heute sind.

Von Flugblättern und Tageszeitungen, »Zur Geschichte des Zeitungsdrucks«: https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/zeitungsdruck

(Alle in diesem Artikel wiedergegebenen Abbildungen entstammen der Sammlung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek.)

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