IADM-Fachttagung ‘Der Stein des Senefelder: Ein druckgeschichtliches Kulturerbe’

Foto Ulrike Engels

Anlass für das Tagungsthema der IADM-Jahrestagung

Angeregt durch eine Ausstellungseröffnung in Li Portenlängers Lithographiewerkstatt Eichstätt, einem jährlichen Treffpunkt von Internationalen Künstler*innen, die dort lithographische Projekte verwirklichen, entwickelte Harry Neß, der Vorsitzende des IADM, die Idee für einen Kulturpfad Senefelder im Altmühltal. Der historische Steinbruch für den Solnhofener Lithostein, ohne den die Erfindung der Lithographie durch Alois Senefelder nicht denkbar gewesen wäre, liegt ganz in der Nähe von Eichstätt.
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Li Portenlängers Lithographiewerkstatt ist zusammen mit dem historischen Steinbruch in Solnhofen eine einzigartige  Symbiose aus dem 150 Millionen Jahre alten Naturerbe des  Steins und dem immateriellen Kulturerbe der Lithographie. Die diesjährige IADM-Jahrestagung diente dem Ziel, den Aufruf zur Gründung eines Kulturpfades in dieser Region einerseits zu unterstützen und andererseits den Tagungsteilnehmern die hier vorfindliche Symbiose von Naturerbe und Kulturerbe durch Exkursionen und Vorträge erlebbar zu machen. Weiterlesen
Eine von Harry Neß initierte Artikelserie mehrerer Gastautoren zu Senefelder und den Besonderheiten der geologischen Lage des Solnhofener Jura war vorab im Donaukourier erschienen und hat diese Tagung des IADM vor Ort vorbereitet.

Exkursionen zum Stein des Senefelder und mehr…

Nach der Mitgliederversammlung des IADM am 16. Juni 2022 begann der Folgetag  mit einer Besichtigung des Steinbetriebs und des historischen Abbaus des Steins in Solnhofen Maxberg. Heiner Hertrich, ehemaliger Geschäftsführer,  führte durch den Steinbruch und Marcus Vogg demonstrierte das Arbeiten in der Fertigmacherei für die lithografischen Steine. Der Stein des Senefelder wurde vor allem den lithografisch arbeitenden Druckkünstlern unter den Teilnehmern aus einer ganz anderen Perspektive verdeutlicht. So beklagte sich eine Druckkünslerin darüber, dass doppelt geschliffene Steine mit zwei glatt geschliffenen Oberflächen eine besondere Herausforderung bei der lithographischen Arbeit seien. Derartige Steine, so war die Antwort, wurden für den Exportmarkt ins Ausland angefertigt, weil damit damals Zölle eingespart werden konnten.

Exkursion zum Steinbruch Maxberg (Foto Li Portenlänger)

Vorführung der Bearbeitung des Lithographiesteins in der Fertigmacherei (Foto Ulrike Engels)

Herr Hertel erläutert die Schritte zur Bearbeitung des lithografischen Steins (Foto Ulrike Engels)

Lithografische Steindruckform (Foto Ulrike Engels)

Im Bürgermeister Müller Museum konnten sich die Teilnehmer anschließend bewusst machen, dass der Stein des Senefelder nicht nur ein druckgeschichtliches Kulturerbe ist, sondern auch ein 150 Millionen Jahre altes Naturerbe. Der Museumsdirektor Dr. Martin Röper erläuterte den Teilnehmern die beeindruckende Präsentation einer reichen Auswahl versteinerter Tiere und Pflanzen aus der Jurazeit, Saurier, Reptilien und Fischen. So konnte man sehen: Kulturerbe trifft auf Naturerbe. Das Kulturerbe Senefelders war im Museum durch den Druckkünstler Hans Ulrich sehr präsent vertreten, der es sich u.a. zur Aufgabe macht, historische einfarbige und kolorierte Lithographien ebenso von Originalsteinen nachzudrucken wie Chromolithographien. Ausgestellt war eine Chromolithographie in 12 Farben, die als reine Kreidearbeit aus dem Jahre 1900 mit allen Drucksteinen und der dazugehörigen Farbskala zu sehen war.

Bevor es zum Empfang durch den stellvertretenden Landrat Bernhard Samiller in der Residenz von Eichstätt und einer Podiumsdiskussion zum Thema „Voraussetzungen und Chancen zur Einrichtung eines ‚Kulturpfades Senefelder‘ im Altmühltal“ ging, führte die ltd. Bibliotheksdirektorin Dr. Maria Löffler und Andreas Kleinert durch die Universitätsbibliothek der Kath. Universität Eichstätt-Ingoldstadt. Das besondere Interesse galt hier erstens den Kupferstichen des 1613 erstmalig erschienenen Prachtbandes des Hortus Eystettensis, der 367 Tafeln mit 1084 Pflanzenabbildungen enthält, und zweitens den Inkunabeln der Lithographie in der „Sammlung Lithographie Eichstätt.“

Die Vorträge

Unter dem Titel Die Technik der chemischen Druckerei – ein Paradigmenwechsel am Ende des 18. Jahrhunderts skizzierte Li Portenlänger, die Druckkünstlerin der Lithografischen Werkstatt Eichstätt, die historische Entwicklung des Bilderdrucks vom Holzschnitt bis zur Erfindung der Lithographie. Sie zeichnete den Weg der Ausbreitung der Lithographie über den Musiknotendruck, die Karikaturen eines Honoré Daumier, die Ausbreitung der Kartografie, die Chromolithographie und die Plakatkunst nach. Mit der Erfindung der Fotografie, der Fotolithografie, der lithografischen Schnellpresse und der Hinwendung zur Zinkplatte, mechanisierte sich die Lithografie zunehmend und löst dadurch die enge Verzahnung zwischen den Künstlern und der Lithografie auf. „Der Bildherstellungsprozess, der das photographische Bild auf die Druckplatte übernimmt, lässt den Künstler endgültig aus diesem ausscheiden.“
Mit seinem Vortrag über Die Solnhofener lithographischen Kalke – Kennzeichen und Genese ging Dr. Günther Viohl ausführlich auf die Besonderheiten der in Solnhofen vorfindlichen lithografischen Kalke ein. Dieser „Plattenkalk-Typus ist gekennzeichnet durch große Reinheit, extreme Feinkörnigkeit, Homogenität und hohe Porosität.“ Alles Eigenschaften, die für die Eignung als Lithographiestein besonders wichtig sind. Dr. Viohl führte sehr kenntnisreich aus, in welcher Weise und durch welche klimatischen Bedingungen vor 150 Millionen Jahren sich diese besonderen Eigenschaften des Solnhofener Steins ausgebildet hatten. „Der feine Kalkschlamm“, der sich hier ausbildete und die hervorragende Qualität als Lithostein ausmacht, „bildete sich ursprünglich auf der Karbonat-Plattform durch Bioerosion von Riffen, Hartgründen und Schalen, d.h. durch die Tätigkeit von knackenden, raspelnden, schabenden und bohrenden Organismen.“ Mit diesem Vortrag wurde die enge Verzahnung von Naturerbe und Kulturerbe den Teilnehmern deutlich vor Augen geführt.
Was die Natur an Ressourcen vor Jahrmillionen bereitgestellt hat, musste ihr jedoch erst mühsam abgerungen werden. In seinem Vortrag „Vom Stein zum Lithografiestein…aus dem Bruch in die Welt“ erläuterte Dr. Victor Henle den Steinabbau für die lithografischen Steine in den Gemeinden Solnhofen, Mörnsheim und Langenaltheim. Der Abbau teilte sich in zwei Phasen. „Im Steinbruch wurde zuerst mit Meißel und Hammer eine Steinschicht leicht angehoben und mit einer Grubenhaube gelöst.“ Anschließend erfolgte die „Geeignetheitsprüfung“ mit Hammer als Klangprobe. In einem zweiten Schritt erfolgte die Verarbeitung des Steins im Verarbeitungsbetrieb, um diesen für den Verkauf als Lithografiestein zu bearbeiten. Graublaue und insbesondere blaue Lithografiesteine waren bis zu 150% teurer als die gelben. „Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich der Litho-Vertrieb so internationalisiert, dass die Steine in 21 Länder, darunter die USA, Brasilien und Uruguay, sowie 74 Exportstädte gingen und 290 Exportkunden erreichten.“
Nach diesem Einblick in die Mühen zur Erzeugung des Lithografiesteins wunderte es keinen Teilnehmer mehr, dass es schon bald eine Suche nach Alternativen gab. Jürgen Zeidler referierte in seinem Vortrag „Senefelders Stein als Druckform sowie seine Versuche zur Metallographie und Papierographie“ genau zu diesem Thema. So ausgezeichnet die Eigenschaften des Solnhofener Steins für die Lithographie auch waren, so schwierig war doch auch der Transport. Ein Stein im Format 70 cm x 100 cm x 8 cm hatte doch immerhin ein Gewicht von 162 kg. Das erschwerte auch die Bearbeitung des Steins. „Als Senefelder von 1801 bis 1806 in Wien weilte, suchte er bereits nach einem Ersatz für den Stein“. Nach Versuchen mit Messing, Zinn und Zink, die sich alle als noch nicht geeignet erwiesen, beteiligte sich Senefelder an einem in Frankreich ausgeschriebenen Preis, um mit seiner Erfindung der Papyrographie den Stein ersetzen zu können. „Im Beisein einer Kommission sollten fünf Motive je 500 mal abgedruckt werden. Der Preis wurde ihm zugesprochen, doch durchgesetzt hat sich die ‚Papyrographie‘ nicht.“ Auch die späteren Versuche zwischen 1822 bis nach 1900, den Stein durch Metall zu ersetzen, scheiterten nicht zuletzt auch daran, dass Lithographen und Steindrucker „sich Neuem gegenüber abweisend“ verhielten. „Erst mit der Ozasolplatte der Firma Kalle 1949 und der Micralplatte von Hans Eggen 1956, war garantiert, dass ‚der Punkt steht‘, also eine präzise Übertragung vom Rasterfilm möglich wurde.“ Dem Siegeszug des Offsetdrucks stand von da an nichts mehr im Wege.
In einem daran anschließenden Vortrag Chromolithographie – Photographie – Offsetdruck. Die Entfesselung der Farbe im 19. und 20. Jahrhundert betonte Wilfried Kusterka, „dass der Stein für die Lithographie zugleich der Grundstein für das erste mit hohen Auflagen druckbare Farbdruckverfahren der Druckgeschichte gewesen ist.“ Die Chromolithografie mit ihren bis zu 17 und mehr Steinen für einen einzigen farbigen Druck war die „Entfesselung der Farbe“, die mit dem modernen Vierfarbendruck im Offset nicht verwechselt werden darf. Sein kultur- und technikgeschichtlicher Rückblick auf druckgrafische Farbdruckverfahren im Hoch- und Tiefdruck führte zu dem Ergebnis, dass bis zur Erfindung des Drei- und Vierfarbendrucks 1720 durch Jacob Christoph Le Blon mit Hilfe der Tiefdrucktechnik der Schwarzen Kunst der Farbendruck lediglich schmückenden Charakter hatte. Erst mit der ‚Kopernikanischen Wende‘ in der Betrachtung des Phänomens Farbe, die Isaak Newton mit seiner vollkommen anderen Sichtweise auf das Phänomen Farbe eingeleitet hat, inspiriert Newtons experimentell-naturwissenschaftliche Sichtweise auch die Erfindung der Fotografie, um die zeichnende Hand des Lithographen und Künstlers durch das Licht abzulösen. Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstandene neue Wissenschaft der Sinnesphysiologie ist es schließlich, die in der Reproduktionsfotografie ihre technische Anwendung als fotografische Farbauszugstechnik fand. Deren Grundprinzip ist seither unverändert gültig und findet nicht nur im Offsetdruck, sondern auch in allen modernsten Digitaldruckverfahren ihre digitale Anwendung.
Fotografie und industrieller Offsetdruck haben die Druckkunst des Flachdrucks nur noch als künstlerische Lithographie überleben lassen. Dass dieses auch weiter erhalten bleibt, dafür setzte sich Angela Schröder von der Saal-Presse Bergsdorf in ihrem Vortrag Künstlerische Lithographie heute am Ende der Tagung ein. Sie hob hervor: „Die klassische Arbeitsteilung: Entwerfer, Lithograph, Drucker gibt es schon lange nicht mehr,“ die künstlerische Lithografie erfordert deshalb eine Vielzahl an Anforderungen. Um dieses Kulturerbe Senefelders und seines Steins weiterzutragen, bedarf es dringend Nachwuchs, sowohl in der künstlerischen Ausbildung wie auch in der Qualifikation als Druckkünstler*in. Daran fehlt es heute sehr.

Eine Kurzdarstellung des Vortrags von Li Portenlängerfinden gibt es hier: Kurzfassung-des-Vortrages-Portenlaenger.pdf (528 Downloads )

Eine PPT Präsentation als PDF-Datei zum Thema Chromolithographie – Phothographie – Offsetdruck. Die Entfesselung der Farbe im 19. und 20. Jahrhudert gibt es hier: Chromolithographie-–-Photographie-Offsetdruck-final.pdf (482 Downloads ) . Eine Kurzdarstellung des Vortrags dazu gibt es hier: Kurzfassung-Senefelder-Vortrag-Kusterka.pdf (486 Downloads )

 

 

 

 

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