Druckkunst und Kunst in der Lithographie-Werkstatt Eichstätt

Li Portenlänger druckt die Arbeit von Renate Gehrcke, Pappenheim

Im vergangenen Jahr widmete Li Portenlänger den Jahresdruck 2019 der Lithographie-Werkstatt Eichstätt dem Hofbaumeister und italienischen Architekten Maurizio Pedetti. Anlass war dessen 300jähriger Geburtstag. Von 1750 bis zu seinem Tode 1799 war Pedetti unter vier Fürstbischöfen Hofbaudirektor und Hofkammerrat in Eichstätt. Pedetti war der letzte Hofbaumeister des Fürstbistums Eichstätt an der Wende vom Rokoko zum Klassizismus.

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Li Portenlänger arbeitet seit 2019 an einem Zyklus von Lithographien nach zeichnerischen Entwürfen Pedettis. Sie setzte diesen Zyklus 2020 fort und stellt ihre neuen Werke in der Ausstellung „Nachlese mit Pedetti“ vor. Die Eröffnung der Ausstellung findet am 18. September 2020 statt und sie läuft bis zum 4. Oktober 2020 im Lithographischen Kabinett der Lithographie-Werkstatt Eichstätt aus.

Der Eichstätter Kurier schrieb zur Eröffnung der ersten Ausstellung 2019:

Besonders an einer Form künstlerischer Verfremdung hat die versierte Lithographin inzwischen viel Freude gefunden: der Computerbearbeitung und “Verpixelung” viele ihrer Druckarbeiten, durch die eine Geometrisierung als wichtige Grundlage jeder Kunst ermöglicht wird: “Dadurch wirkt eine historische Vorlage nicht einfach wie ein ,altes’ Bild, sondern erhält einen Zugang in die aktuelle Zeit”, betont Portenlänger.“

Die Verfremdung des Bildes erfolgt zum einen als Verpixelung der Vorlage lithographisch als Umdruck auf den Stein und zum anderen durch eine lithographische Drucktechnik bei der mit Seife auf dem Stein gearbeitet wird. Um sich das vorzustellen, helfen keine weiteren Worte, denn

der Mensch, das Augenwesen, braucht das Bild“ (Leonardo da Vinci 1452- 1519).

Incontro fontana
Incontro Fontana (vergrößerter Ausschnitt mit sichtbarer Pixelstruktur)
Dans le parc

In der Ausstellung zur Nachlese Pedetti 2020 verknüpft Li Portenlänger die Druckkunst der Lithographie – entstanden in der Epoche der Aufklärung – mit der epochalen Wende vom Rokoko zum Klassizismus und dem Ende der weltlichen Herrschaft der Fürstbischöfe. Der 1998 gegründeten Lithographie-Werkstatt Eichstätt entspricht in ganz besonderer Weise der Kontext dieser besonderen Bilderfindung in einer Zeit gesellschaftlicher Wende.

Zur Geschichte der Lithographie-Werkstatt Eichstätt

Der Genius Loci, der Geist des Ortes Eichstätt, war die Leitidee von Li Portenlänger und ihren Künstlerfreunden bei der Gründung der Lithographie-Werkstatt Eichstätt im Jahre 1998. Zweihundert Jahre nach der Erfindung des Steindrucks und der Lithografie durch Alois Senefelder, im Jahre 1798, wurde die Lithografie-Werkstatt Eichstätt ins Leben gerufen. Eichstätt in Bayern ist der Ort, wo es seit 1596 die erste Genehmigung zum Abbau von Solnhofener Schiefer-Platten gab. Das sind jene Kalkplatten, die seit der Erfindung des Steindrucks zu den weltbesten Lithographiesteinen für den Steindruck gehören. Diese werden vorwiegend im nahe gelegenen Solnhofen abgebaut. Von diesem Genius Loci ausgehend, bewahrt die Lithographie-Werkstatt Eichstätt die traditionelle Druckkunst des Steindrucks und der Lithographie.

“Meine Vision war es, mit einem Ort von ‘Kunst im öffentlichen Raum’ nicht nur die pure Technik von Lithographie, sondern auch die Zusammenhänge mit dieser Druck- und Kunstform aufzugreifen. Lithographie soll in meinen Augen immer auch mit anderen Kunstmedien kommunizieren[1],

Li Portenlänger

so kommentierte Li Portenlänger die Leitidee der Lithographie-Werkstatt gegenüber dem Eichstätter Kurier zum 20 jährigen Jubiläum der Werkstatt.

Alois Senefelder hat die Druckkunst des Steindrucks und der Lithographie erfunden, aber druckgeschichtlich gesehen war er kein Künstler, dem es gegeben war, schöne Zeichnungen anzufertigen. Seine Intention bestand vielmehr darin, eine Möglichkeit für den rationelleren und kostengünstigeren Druck zu ersinnen. Das ist ihm mit dem Steindruck, dem lithografischen Flachdruck gelungen. Um damit Bilder drucken zu können, bedarf es jedoch auch einer zeichnerischen und künstlerischen Begabung. Er schreibt deshalb in seinem „Lehrbuch der Lithographie und des Steindrucks“ aus dem Jahre 1821:

„Es kam nun darauf an, entweder mich selbst auf’s Zeichnen zu verlegen, oder was noch geschwinder ging, einen schon geschickten Zeichner abzurichten, dass er auch auf Stein mit der fetten Tinte gehörig zeichnen konnte“. [2]

Alois Senefelder 1821

Li Portenlänger vereint in ihrer Person beide Aspekte. Sie studierte von 1974 bis 1978 Flächengestaltung an der Hochschule für Künste Bremen und außerdem Lithografie am RhoK in Brüssel beim Meisterdrucker Rudolf Broulim. Mit der Werkstatt will Li Portenlänger das Wissen und die Tradition des Steindruckes bewahren und weitergeben. Internationale Künstler mit diesem grafischen Arbeitsschwerpunkt werden deshalb alljährlich als Gastkünstler zum Aufenthalt nach Eichstätt eingeladen. Aus den Arbeiten der zahlreichen namhaften Künstler nährt sich die „Sammlung Lithographie Eichstätt”. Sie wird als Eigentum der Stadt Eichstätt dauerhaft in der Graphischen Sammlung der Universitätsbibliothek der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt bewahrt und öffentlich zugänglich gehalten.

Lithografie zwischen Kunst und Illustration

In der Mediengeschichte ist die 1798 von Alois Senefelder erfundene Lithografie das erste Druckverfahren, das nicht auf das Diktat der Linie angewiesen ist. Die Lithografie ermöglicht es, alle zeichnerischen Techniken mit Feder und Pinsel auf dem Lithografiestein anzuwenden. Erfunden wurde sie in Deutschland. Zu einer eigenständigen Kunst wird sie dagegen zuerst in Frankreich. Das ungewöhnliche Spektrum zur Wiedergabe von Tonwerten zwischen Lichtern und Schatten verleitete viele französische Künstler und Karikaturisten bis 1900 zu Experimenten mit der Lithografie. Künstler wie Eugène Delacroix, Francisco de Goya, Théodore Géricault, Honoré Daumier, Édouard Manet, Odilon Redon oder Toulouse-Lautrec haben der Lithografie bis 1900 zu einer Eigenständigkeit in der Kunst verholfen.

Mit der Lithografie wird die Plakatkunst populär, der sich auch viele Künstler widmen. Die Reklame oder Werbung, wie wir heute dazu sagen würden, entdeckt mit der Lithografie am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert das Bild und den Einsatz von Farbe. Um sich eine Vorstellung von der damaligen sehr aufwendigen Technik zur Herstellung eines Plakats machen zu können, wurde in der Lithographie-Werkstatt Eichstätt ein Jugendstilplakat mit historischen Druckplatten reproduziert und von Heinrich Gartmair (Eichstätt) gefilmt.

Die Möglichkeit zum Druck vergleichsweise hoher Auflagen und in sehr großen Formaten kam dem Bedarf der schnell wachsenden Pariser Großstadtgesellschaft entgegen. Es gab nach der Französischen Revolution ein immer breiteres Publikum mit kulturellen Interessen. Das Interesse am Sammeln und Teilhaben an der zeitgenössischen Kunstproduktion, wenn auch mit bescheideneren Mitteln, stieg in breiteren Bevölkerungsschichten deutlich an. Der demokratische Geist der Französischen Revolution beflügelte deshalb die Künstler mit dem neuen Medium der Lithographie unmittelbar zu experimentieren und zu kommunizieren.

In Deutschland hingegen eroberte die deutsche Erfindung der Lithographie zuerst die kleinbürgerlichen Wohnzimmer. Die Gefühlspalette der kleinen Leute wurden von den entstehenden Bilderfabriken wie E.G. May u.a. ab 1845 zielgruppengerecht ins Visier genommen. Ob Frömmigkeit oder Patriotismus, Abenteuersehnsucht oder erotischer Kitzel, alle Genres und Affekte existierten zwar schon im gehobenen Bildungsbürgertum, sie wurden nun jedoch von ihren bildungsbürgerlichen Verschlüsselungen befreit. Journalbeilagen, Bilderbögen, Ansichtskarten, Jahresgaben von Kunstvereinen und illustrierte Broschüren waren die Vehikel zum Transport der neuen bunten lithografischen Bilderwelt in den deutschen Massenmarkt.

Die akademische Kunstkritik reagierte darauf entsprechend abfällig und nannte die massenhafte Bilderware „Kitsch.“

Zur eigenständigen Kunst wurde die Lithographie in Deutschland erst durch die Expressionisten wie E.L. Kirchner und Emil Nolde.

Nach Toulouse-Lautrec mit seinen berühmten Lithographien sind Cézanne, Degas, Renoir, Signac, Munch, Slevogt und Corith zu nennen, die der farbigen Lithographie als hochrangiges künstlerisches Mittel auf den Weg verholfen haben.

Der Pflege und Weitergabe dieser künstlerischen Tradition hat sich Li Portenlänger zur Lebensaufgabe gemacht. In den vergangenen 20 Jahren sind 45 Künstler*innen aus Deutschland, Belgien, Frankreich, den Niederlanden, England und Schottland, aus Tschechien, Polen, der Schweiz, aus Kanada, Japan und aus China zu Gast gewesen. Alle dabei entstandenen lithografischen Kunstblätter, Mappenwerke und bibliophilen Bücher sind in der „Sammlung Lithographie Eichstätt“ öffentlich ausgestellt. Blätter der „Sammlung Jutta und Peter Assel, München“ bilden den historischen Kern dieser Kollektion.

Ausstellungseröffnung
Julie Bellavance, Quebec
Bodo Rott, Berlin bei der offenen Werkstatt
Bedrich Kocman, Pilsen
Els Patoor, Brüssel bei der offenen Werkstatt
Walther Dohmen, Langerwehe bei der offenen Werkstatt
Im Litho-lager auf dem Maxberg Solnhofen
Am Maxberg mit Herrn Vogg, Mörnsheim
Interdisziplinäres Projekt: Figurenfeld – Erfahren, Erinnern.
Ausflug ins Figurenfeld von Alois Wünsche-Mitterecker in Eichstätt
Ausstellung Luc Piron, Leuven zum Figurenfeld-Erfahren,Erinnern
Dr. Karin leonhard, Li Portenlänger mit Carla Neis, Bern und Val de Travers
Einladung zum Sino-Europe Printmaking Forum,Tianjin 2010 mit Rudolf Broulim und Hans Karelzoon Van Dijck, Brüssel und Li Portenlänger
Irisdruck von Aleksandra Kargul, Edinburgh
Medienkünstler und Lithograph Martin Koeppl, Herrenberg
Sammlungsübergabe des Historischen Convolutes der Sammlung Assel, 2018
Sammlungsübergabe in der Universitätsbibliothek am Hofgarten
  1. https://www.donaukurier.de/lokales/eichstaett/Perlen-aus-20-Jahren-Lithographie- Werkstatt;art575,3982608
  2. Alois Senefelder: Lehrbuch der Lithographie und des Steindruckes. 1821 In zweiter Auflage neu herausgegeben vom Verband der Lithographen, Steindrucker und verwandten Berufen (Deutscher Senefelder-Bund) 1825. Nachdruck des Originals von 1825. Paderborn 2013; S.32

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